Eine Stadt. Ein Blog. Ein Thema, aber viele Geschichten: Berlin von einer unbekannten Seite und in der NS-Zeit

Else Blochwitz wurde „Black“ genannt. Marie Burde wurde „Mieze“ genannt.

Sie lebten in der Zeit des nationalsozialistischen Deutschen Reiches beide in Berlin, der damaligen Reichshauptstadt - und die Frauen bewiesen unter dem Naziterror beide wahrlich beispiellosen Mut. Sie widersetzten sich dem NS-Regime, indem sie mehrere jüdische Mitmenschen versteckten, die sie so vor dem KZ bewahrten.

„Else Blochwitz...? Marie Burde...?“ - Sie werden sich jetzt vermutlich fragen, wer diese Frauen waren, denn beide sind heute (leider) weithin unbekannt - und auch deshalb berichte ich sehr gerne von ihnen.

"Black", ein Deckname - "Mieze", ein Spitzname
Die Frauen kannten einander nicht, ihre Geschichten ereigneten sich deshalb voneinander getrennt und zudem in jeweils verschiedenen Stadtteilen von Berlin. Else Blochwitz lebte als Repassiererin, die schadhafte Seidenstrümpfe ausbesserte, in Charlottenburg - und „Black“ war ihr Deckname im widerständigen Untergrund. Marie Burde lebte als Lumpensammlerin, die sich Tag für Tag „durchschlug“, im Wedding - und „Mieze“ war ihr Spitzname in der Nachbarschaft. Details zu ihrer beider Taten im Widerstand habe ich im folgenden Seitenbereich meines Blogs notiert. 

Die beiden (sehr unterschiedlichen) Lebenswege der Frauen hatten zwei Dinge gemeinsam - und dies waren der Mut zum Kampf gegen die Nazis und die vielen organisatorischen Glanzleistungen, die Frau Blochwitz und die Frau Burde vollbrachten, um Verfolgten des NS-Regimes das Leben zu retten.


Sie standen den bei ihnen verborgenen jüdischen Mitmenschen auf vielfache Weise zur Seite: Frau Blochwitz und Frau Burde organisierten mehrere Verstecke in Kellern und an anderen Orten, beschafften Lebensmittel und Lebensmittelmarken, leisteten bereitwillig Beistand bei Krankheit oder bei Verletzungen, boten Schutz vor alliierten Luftangriffen auf die Reichshauptstadt, verstanden sich auf Zuspruch in der Not und vermittelten Kontakte zu weiterer Hilfe im Untergrund - und dies taten sie für lange Jahre bzw. jeweils bis zum Ende des NS-Regimes im Mai 1945.

Wir wissen aber auch, dass in nationalsozialistischer Zeit die wenigsten Menschen so handelten wie Else Blochwitz und wie Marie Burde. Die Mahnung, die damit verbunden ist, bleibt, denn die demokratische Staatsform (und damit auch die Gesellschaft, die diese zu tragen hat) muss wehrhaft sein bzw. hat sie sich in vergangenen Zeiten allzu oft als schnell zerbrechlich erwiesen.

Blick in die Zeitgeschichte vor dem Jahr 1933: Der Stimmenanteil der NSDAP bei der Reichstagswahl vom 20. Mai 1928 lag bei lediglich 2,6 Prozent. (Die Zahl bezieht sich auf das gesamte Deutsche Reich, in einzelnen norddeutschen Wahlkreisen kam die NSDAP bereits damals auf Stimmenanteile von rund oder mehr als 30 Prozent.) Die SPD hatte am Wahltag mit 29,8 Prozent der abgegebenen Stimmen im Deutschen Reich mehr als deutlich gesiegt, dies allerdings bereits in einer immer instabiler werdenden Weimarer Republik. Das Nazi-Lager dagegen hatte, verglichen mit der vorherigen Reichstagswahl vom 7. Dezember 1924, sogar leichte Stimmenverluste zu verzeichnen: Die „Nationalsozialistische Freiheitsbewegung Großdeutschlands“, damals statt der (noch) verbotenen NSDAP zur Wahl angetreten, hatte einst nur 3,0 Prozent der abgegebenen Stimmen und deshalb nicht mehr als 14 Reichstagsmandate errungen.

Was folgte, ist bekannt. Adolf Hitler wurde nicht einmal fünf Jahre nach der Reichstagswahl von 1928 zum Reichskanzler ernannt - und bis zum Mai 1945 wurden danach etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden und viele, viele weitere Opfergruppen systematisch unter dem NS-Regime ermordet, das die Welt zudem in den Krieg stürzte.

Die Zahl derer aber, die gegen den Naziterror in den Widerstand gingen, war - gemessen an der Gesamtbevölkerung des Deutschen Reiches - vom Januar 1933 bis zum Mai 1945 zu jeder Zeit verschwindend gering.


"Black" und "Mieze": Mut zum Widerstand, der bleiben soll

Else Blochwitz und Marie Burde sind lange Jahre nach dem Ende des NS-Regimes für ihre Taten beide in Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ anerkannt worden. Die Geschichte verdeutlicht uns zudem: Wir sind auf den Mut, den diese beiden Frauen und andere tapfere Mitmenschen im Widerstand zeigten, auch heute und auch in Zukunft angewiesen.

90 Jahre sind seit der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler vergangen - und das Gedenken mit Blick auf den Widerstand gegen den Naziterror wird immer wichtiger. Ich habe dabei in den vergangenen Jahren oft festgestellt, dass selbst zahlreiche „Gerechte unter den Völkern“ nicht einmal namentlich, geschweige denn hinsichtlich ihrer Lebenswege besonders bekannt sind. Die „Black“ & „Mieze“-Website ist deshalb der Dokumentation von Widerstand und von Verfolgung unter dem NS-Regime in Berlin und vielen dabei verborgen gebliebenen Geschichten gewidmet - der von Else Blochwitz und der von Marie Burde, aber auch den Taten mehrerer anderer Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer. Die Lebenswege vieler verfolgter Jüdinnen und Juden und anderer Personen, die unter dem NS-Regime ebenfalls gejagt wurden, haben ebenso ihren festen Platz in den hier aufgeschriebenen Texten.

Die Website habe ich „Black“ & „Mieze“ genannt, weil mich der fest entschlossene Kampf von Frau Blochwitz und von Frau Burde gegen die Nazis in ganz besonderer Weise beeindruckt hat. Die Sammlung der hier zu lesenden Essays bietet - natürlich - keinen vollständigen Blick auf die hauptstädtische Zeitgeschichte unter dem Nationalsozialismus, vielmehr führt sie lediglich an einige unbekannte Orte in ganz Berlin - und ich werde sie nach und nach erweitern. Die Erinnerung an alle hier vorgestellten Personen aber, die sich den Nazis widersetzten bzw. von ihnen gejagt wurden, ist sehr bedeutend - und dessen, was sie taten und was sie erlebten, ist mit wachem Bewusstsein zu gedenken, heute und für alle Zeit.

Ehre ihrem Andenken!

Nicolas Basse M. A. - Berlin, im Januar 2023